Wie groß ist Deine persönliche Schublade?

Wie oft ist es vorgekommen, dass Menschen Dir ein Feedback gegeben haben, wie sie Dich wahrnehmen – und wie oft warst Du überrascht, weil es so gar nicht zu dem Bild passte, das Du selbst von Dir hast? 

Ich finde es immer wieder spannend, wie groß der Unterschied zwischen der eigenen Wahrnehmung und Fremdwahrnehmung sein kann. Und ich habe selbst erlebt, wie anstrengend und aufreibend dieser innere Widerspruch sein kann. Wie schön wäre es, wenn es keine Kluft zwischen diesen beiden Betrachtungen gäbe?

Da ich im Beruf häufig als stark und nahezu fehlerfrei galt, habe ich diese Fassade vor mir selbst aufrechterhalten. Ich habe mich nicht getraut, Schwächen zu zeigen oder zuzugeben, dass ich unsicher bin. Das Bild der starken, unabhängigen Frau war geboren und hat sich immer weiter fortgeschrieben und ich habe alles daran gesetzt, dieses Bild zu erhalten. Während ich den Menschen um mich herum unverwüstbar erschien, tobte in mir ein heftiger Sturm aus Selbstzweifeln, dem Anspruch an dauerhafter Perfektion und innerer Zerrissenheit. Ich fühlte eine große Kluft zwischen „Innen“ und „Außen“… zwischen dem Eindruck der anderen, ich sei selbstsicher und zwischen meinem zutiefst unsicheren Gefühl.

„Ich bin total erleichtert, dass Du auch mal Fehler machst.“

Die Fassade begann erst zu bröckeln als ich Sätze hörte, wie zum Beispiel: „Ich bin total erleichtert, dass Du auch mal Fehler machst…“ Ich war betroffen – fast geschockt, denn natürlich mache ich Fehler. Jeden Tag! Und ich selbst habe mich am meisten für diese Fehler, Macken, und Unzulänglichkeiten verurteilt. Und so habe ich endlich erkannt, dass ich in meinem Wahn, immer alles richtig machen zu wollen, sogar andere in diesen Strudel der vermeintlichen Fehlerlosigkeit hineingezogen habe und den Druck, der durch Perfektionismus entsteht, unbewusst immer weitergegeben habe. Erst seit dieser Zeit wollte ich nicht mehr nur stark wirken, ich wollte es auch wirklich sein. Ich wollte in schwachen Momenten zeigen, dass ich unsicher bin, vielleicht keine Ahnung habe, wie es weitergeht und es mir schwerfällt, Hilfe anzunehmen.

Nach und nach habe ich mir erlaubt, meine schwachen und unsicheren Momente zu zeigen und habe gemerkt, dass gar nichts passiert. Niemand verurteilt mich, nennt mich inkompetent… im Gegenteil. Ich wirke (angeblich) nahbarer und berühre Menschen, mit meiner Art, mich immer mehr so zu zeigen, wie ich bin. Und das ist weit entfernt von „perfekt“.… niemand ist perfekt. Und wir haben alle Ängst und fühlen Unsicherheiten. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen. 

Ich weiß nicht, wovor ich mehr Angst hatte. Herauszufinden, wer ich bin und meinen Mitmenschen dies zu zeigen oder mir einzugestehen, dass ich nicht immer gleich bin, dass Veränderung möglich ist, dass ich meine Gegensätze leben kann und gerade diese Widersprüche mich ausmachen.

Lange Zeit habe ich mich selbst in eine Schublade gesteckt. Ich dachte, wenn ich selbstbewusst wirken möchte, darf ich keinerlei Schwäche zeigen. – Bullshit!

Wenn ich eine kompetente, ernsthafte Ansprechpartnerin sein will, darf ich nicht albern sein. – Bullshit!

Wenn ich erfolgreich bin, darf ich nicht unsicher sein. – Bullshit!

Wenn ich eine zuverlässige Freundin sein will, muss ich immer erreichbar sein. – Bullshit!

All meine Facetten, machen mich zu dem Menschen, der ich bin. Es gibt kein „entweder oder“, keinen Zwang sich entscheiden zu müssen. Es gibt immer nur ein „und“. 

Du kannst beides oder sogar alles sein! Manchmal erfordert das ein bißchen Mut… Und vielleicht wirst Du belohnt mit dem schönen Gefühl, das sich einstellt, wenn Deine persönliche Kluft sich langsam schließt und Dein Innen und Außen zu einem Ganzen wird. Deine persönliche Schublade darf viel größer sein als Du denkst…

6 Gedanken zu „Wie groß ist Deine persönliche Schublade?“

  1. Das hast Du sehr fein geschrieben, Diana. Aber glaube mir. Menschen, die lange mit Dir zusammen gearbeitet haben, hatten auch Einblicke hinter die Kulisse .

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